Institut für Kunstgeschichte
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I. de-signum. Eine Einführung

Jean Ouvrier

Jean Ouvrier

Künstler: Jean Ouvrier (1725-1784)
Vorlage: Johann Eleazar Schenau (1737-1806): L’Origine de la Peinture: Une familie dessinant des ombres chinoises
Titel: L’Origine de la peinture ou les portraits à la moda
Datierung: um 1770 (?)
Technik: Kupferstich
Masse: 464 x 322 mm (Plattenkante: 423 x 320 mm ) 
Beischriften:
„J. E. Schenau Pinx. J. Ouvrier Sculp.“
„Dediee a Son Allesse Serenissime Monseigneur Le Prince Palatin du Rhin Duc regnant des Deux Ponts.“
„A Paris chez l’Auteur Place Maubert, Mr Bellot et Md Bennetter au soleil d’or“
„Par son tres humble et tres obèissant Serviteur Ouvrier“

 

Der Kupferstich von Jean Ouvrier zeigt eine Familie im Lichtkegel einer Lampen. Auf der linken Seite sind drei spielende Kinder dargestellt: Der älteste mit dem Hut versucht mit dem Schatten seiner Hände einen Hasen nachzuahmen; das Mädchen daneben hält eine Katze vor ein an der Wand befestigtes Papier und der Jüngste versucht, den Schatten der Katze mit einem Stift zu umfahren. In der Mitte der Darstellung sitzt eine Dame. Ein Jüngling zeichnet auch ihr Profil auf ein an der Wand fixiertes, großes Blatt Papier. Rechts im Hintergrund ist noch das Gesicht einer alten Frau zu sehen, die – auf die Lehne eines Stuhls gestützt – das Geschehen betrachtet. An der Wand schließlich sind weitere Blätter mit bereits gemalten Schattenbildern zu sehen.

Vorlage – Johann Eleazar Zeissig, gen. Schenau(1737-1806): L'Origine de la Peinture: Une familie dessinant des ombres chinoisesDer Stich reproduziert spiegelbildlich das Gemälde L'Origine de la Peinture: Une familie dessinant des ombres chinoises von Johann Eleazar Schenau (1737-1806). Wie der erste Teil dieses Bildtitels schon erahnen läßt, bezieht sich die Darstellung auf eine sehr bekannte Anekdote des Plinius (Nat. Hist. 35, 151f.) und illustriert mit verkehrten Geschlechter-Rollen die Geschichte vom Ursprung der Malerei: Bei Plinius heißt es, die Tochter des griechischen Töpfers Butades – von der in der Einleitung zu dieser Sektion der Ausstellung schon die Rede war – umzog, als der von ihr geliebte junge Mann in die Fremde gehen mußte, bei Lampenlicht an der Wand den Schatten von dessen Gesichtsprofil mit einer Linie. Der zweite Teil des Titels der Gemälde (Une familie dessinant des ombres chinoises), der in dem Stich zu les portraits à la moda abgeändert wurde, umschreibt die Tätigkeit der hier Dargestellten. Es bezieht sich auf das chinesische Schattenspiel, das seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts vor allem in Paris zu einer sehr beliebten Mode geworden war.

Dadurch wird der Geburtsmythos der Malerei in ein zeitgenössisches Ambiente transportiert und mit einem häuslichen Geschehen und den Attraktionen der Zeit, dem chinesischen Schattenspiel, verbunden. Schenau greift einen weiteren aktuellen Aspekt auf – die Entdeckung der künstlerischen Fähigkeiten des Kindes und die Bedeutung der Zeichen-Ausbildung in frühen Jahren, die vor allem in Frankreich immer mehr Interesse gewann und in einigen seiner Werke zu finden ist. Somit sind auch die Kinder auf dem Blatt nicht nur bei dem Schattenspiel beteiligt, sondern versuchen den Älteren nachzuahmen und selber zu zeichnen. Besonders interessant erscheint daher auch die forcierte Gegenüberstellung unterschiedlicher Altersstufen und Geschlechterrollen: Die Jünglinge sind aktiv zeichnend dargestellt, die Frauen nehmen eher die passive Rolle ein; während Kinder sich mit Tierdarstellungen beschäftigen, zeichnet der junge Mann den Schatten einer Frau usw.

Bevor  Johann Eleazar Schenau 1772 nach Dresden zurückkehrte und zum Direktor der dortigen Akademie ernannt wurde, lebte er in Paris. Der Wesenszug seiner Kunst aus der Pariser Zeit besteht in moralisierenden Anekdoten, die sentimental erscheinende Themen mit rationalen Lehren verbinden. Auch das Gemälde, auf dem der Stich aus der  Sammlung Münchener Instituts der Kunstgeschichte basiert, lässt sich, neben weiteren Argumenten, durch die spielerische Umsetzung der Plinius-Anekdote und der Verbildlichung der Pariser Themen in diese Zeit einordnen. Der in Paris verlegte Stich dürfte einige Jahre später, vielleicht noch vor Abreise Schenaus entstanden sein.

Nino Nanobashvili

Literatur:

  • Max Kunze (Hg.): Kunst und Aufklärung im 18. Jahrhundert, Kat. Ausst. Winckelmann-Museum Stendal, Ruhpolding 2005.
  • Robert Rosenblum: A Problem in the Iconography of Romantic Classicism, in: Art bulletin, 39 (1957), S. 279-290.

Standort/Bildrecht: Institut für Kunstgeschichte der LMU, München