Institut für Kunstgeschichte
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III. Tracing lines. Linie als Gestus und Künstlerhandschrift

Lucas van Leyden

Lucas van Leyden

Künstler: Lucas van Leyden
Titel: Johannes der Täufer in der Wüste
Datierung: 1513
Technik: Kupferstich
Maße: 85 mm x 108 mm (auf Plattenkante beschnitten)
Beischrift: 1513

 

Lucas van Leyden, neben Albrecht Dürer der einflussreichste Künstler im Bereich der Druckgraphik im nordalpinen Raum seiner Zeit, besitzt seine ganz eigene Linienbehandlung, mit der er die niederländische Landschaftsmalerei in die Druckgraphik überführt hat.

Das druckgraphische Schaffen Lucas van Leydens umfasst den Zeitraum von ca. 1508 bis 1530, in dem etwa 170 Blätter entstanden. Das Blatt „Johannes der Täufer in der Wüste“ aus der Graphischen Sammlung des Instituts entstand in der mittleren Schaffenszeit Lucas van Leydens. Wie die meisten Arbeiten ist auch unsere in der Platte datiert und geht auf das Jahr 1513 zurück.

Es handelt sich hierbei um eine kleinere Arbeit des Künstlers. Gegenüber den größer angelegten Blättern, in denen er sich eher den Nebenpersonen als dem Hauptgeschehen zuwendet, widmet sich dieser Stich, um 1510 entstanden, einzig der Darstellung der zentralen Heiligenfigur des Johannes.

Besonders im Frühwerk Lucas van Leydens besitzen die Blätter eine besondere Betonung der atmosphärischen Landschaften, in die meist religiöse Szenen eingebettet sind. Differenzierende Strichlagen dienen der Verstärkung der räumlichen Wirkung sowie der gegenseitigen Abgrenzung der jeweiligen räumlichen Zonen wie Vorder- Mittel- und Hintergrund. Auch Vasari hat diese Stufung der Gründe als die besondere Errungenschaft dieses Stechers hervorgehoben.

Die meisten der bekannten Abzüge des fast lückenlos dokumentierten Werkes, zeugen von der freien Arbeitsweise, mit der sich der Kupferstecher den Druckplatten widmete. Er skizzierte die Darstellung mit einer feinen Kaltnadel auf der Platte, ehe er die darstellenden Strichlagen herausarbeitete.

Die stilistische Handschrift Lucas van Leydens kommt auch hier voll zum Tragen. Die Darstellung weist eine durch die Strichlagen getragene Abgrenzung des Vordergrundes vom Hintergrund auf.

Der durch parallele Strichlagen fein akzentuierte Himmel des Hintergrundes ist durch einen stärker ausgehobenen Grad, der die Silhouette des Erdbodens beschreibt, von Mittel- und Vordergrund abgesetzt.

Im Mittel- und Vordergrund bedient sich der Künstler einer freieren Linienbehandlung. Leitendes Motiv sind dynamisch angelegte, längere Striche, welche sich in Richtung der rechten oberen Plattenkante bewegen. Über diese sind kürzere Strichlagen, meist in einer Kreuzschraffur, gelegt, um die Volumina der Darstellung herauszuarbeiten. Die frei anmutende Linienbehandlung korrespondiert hierbei mit den fast unbehandelten Flächen der Kleidung des Johannes sowie dem Schaf. An der unteren Plattenkante entlang wird die waagrechte Linienführung des Hintergrundes wieder aufgenommen.

Die Kupferstiche Lucas van Leydens bedienen sich einer Gestaltungsweise, die die Autorschaft durch die freie Behandlung der Linie unmittelbar hervortreten lässt. Das Resultat ist die individuelle Handschrift Lucas van Leydens.

Nico Kassel

Literatur:

  • Friedländer, Max J.: Lucas van Leyden, Leipzig 1924
  • Kat Ausst. Die Druckgraphik Lucas van Leydens und seiner Zeitgenossen, Graphische Sammlung der ETH Zürich (15. November – 22. Dezember 2000 und 3. Januar – 2. Februar 2001), Zürich 2000

Standort/Bildrecht: Institut für Kunstgeschichte der LMU, München