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VI. Die Linie: Eine Frage der Technik

Ostade

Ostade

Künstler: Adriaen van Ostade 1610-1685 Haarlem, Isaak van Ostade 1621-1649 Haarlem
Titel: Raucher und Trinker
Datierung: wohl nach 1685
Technik: Schabkunst
Maße: Blatt 192 X 200 mm/ Platte 189 x 192 mm
Beischrift:
links unten auf einer Leiste: Ostaden invent.
darunter: Jan de  Later  fec.
am rechten Ende der Leiste:  G. Valck  Exc.
darunter etwas nach links versetzt: Cum  Privilegie

 

Vor einer kahlen Wand sitzen zwei Männer vor einem niedrigen Tisch, einander zugewandt, von denen der Linke gerade dabei ist, seine Pfeife anzuzünden. Der rechte Mann schenkt sich aus einem Krug in einen Becher, den er in der rechten Hand hält, ein. Beide sind in der landesüblichen Tracht der Zeit gekleidet. Der linke Mann ist im Profil gegeben, während der Trinker mit leicht gesenktem Kopf nahezu frontal zu sehen ist. Gesichter, Hände, Hut und eine Tischplatte sind hell ausgeleuchtet. Feinste Schwarzabstufungen finden sich vor allem auf der Kleidung des Trinkers, die vom tiefen Schwarz des durch einen Umhang gegen das Licht abgedunkelten linken Ärmel über fleckenhaft verteilte Lichteffekte des Obergewandes bis zu der im tiefen Schwarz verschatteten rechten Schulter reichen.

Das Thema  „Der Trinker und der Raucher“ findet sich häufig in der niederländischen Genremalerei des 17.Jahrhunderts. Insbesondere die Brüder Ostade haben das Motiv in Gemälden und Radierungen häufig verwendet. Auch wenn eine direkte Vorlage für das Blatt im Werk beider Ostades bisher nicht gefunden werden konnte, so gibt es doch von ihnen ähnlichen Darstellungen, die als Anregung gedient haben mögen.

Anders als beim Kupferstich, wo schwarze Linien auf weißem Grund herstellt werden, wird bei der Mezzotintotechnik eine einheitlich schwarze Platte mit einem Wiegemesser durch wiegende kräftige Schnitte so lange waagerecht und diagonal bearbeitet, bis sie schließlich von einem dichten, völlig gleichmäßigem Netz von kreuzförmigen Zahnungen überzogen ist. Damit entstehen flächige Hell- und Dunkeltönen, die in zarten Übergängen von tiefem, samtigem Schwarz bis zu hellem Weiß des Papiertones reichen.

Um nun das Bild auf der dunklen Fläche herauszuarbeiten, poliert und schabt der Künstler mit einem Schabeisen (Polierstahl) die Teile der Platte, an denen helle Stellen und Lichter hervortreten sollen. Wo die stärkste Helligkeit ist, muss die Platte spiegelblank sein. In den Schattenpartien bleiben die Schraffuren, je nach Dunkelheit, entsprechend stehen. Beim folgenden Einschwärzen wird dann die Kupferplatte je nach Glätte und Rauheit weniger oder mehr Farbe aufnehmen und dem Papier abgeben. Dieses sehr plastische und malerische Verfahren kam besonders der Reproduktion barocker Gemälde und der Wiedergabe von deren Bildwirkung entgegen.

Auf den gesicherten Radierungen signieren die Brüder vor dem Familiennamen jeweils mit dem Anfangsbuchstaben ihres Vornamens, während hier lediglich mit „Ostaden“ ein Hinweis auf den oder die entwerfenden Künstler gegeben ist, ohne dass klar wird, welcher der beiden Brüder in Frage kommt. Der Hinweis auf die „Ostaden“ bedeutet nicht zwingend, dass Jan de Later eine Vorlage eines der Brüder verwendet hat. So ist von ihm eine Wirtshausszene bekannt, bei der trotz des Verweises auf Ostade deren Urheberschaft bezweifelt wird. Auch lässt insbesondere die Physiognomie der dargestellten Typen eine größere Nähe zu Cornelis Dusard, einem Schüler Adriaen van Ostades, erkennen. Allerdings findet sich auch in dessen Werk keine direkte Vorlage.

Es kann daher angenommen werden, dass Later in Abwandlung von Werken der Ostade oder Dusards das Blatt verfertigte und mit der Erwähnung des Namens „Ostaden“ den Verkaufserfolg seiner Produktion durch Ausnutzung von deren Berühmtheit sicherstellen wollte. Über Jan de Later ist nur wenig bekannt. Er arbeitete als Reproduktionsgraphiker für den bekannten Drucker, Verleger und Kunsthändler Gerard Valck (1651/52, Amsterdam bis 1726, Amsterdam). Valck ist bekannt für die Produktion von Landkarten. Er gab aber auch populäre Blätter heraus. Der Hinweis „cum Privilegie“ bestätigt, dass er die Berechtigung zur Vervielfältigung und Edition und damit Verkauf erworben hatte. Unser Blatt findet sich allerdings nicht in dem bei Nagler aufgeführten Auszug der von Valck veröffentlichten Werke.

Wolfgang Bassermann

Literatur:

  • Koschatzky, Walter: Die Kunst der Graphik. Technik, Geschichte, Meisterwerke, .1.Auflage 1975; hier 6. Auflage 1981, S.103 f.
  • Hollstein, E. W.: Dutch and Flemish Etchings, Engravings and Woodcuts, Amsterdam 1949 ff.
  • Godefroy, Louis: L´oeuvre gravé de Adriaen van Ostade (1610-1685), Paris 1930.
  • Nagler, G.K.: Neues allgemeines Künstler-Lexikon oder Nachrichten von dem Leben und den Werken der Maler, Bildhauer, Baumeister, Kupferstecher, Lithographen, Formschneider, Zeichner, Medailleure, Elfenbeinarbeiter etc, 3.Auflage (unveränd. Abdr der 1.Auflage 1835-1852), Leipzig 1924.
  • Thieme, Ulrich und Felix Becker (Hg.): Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart, 37 Bde., fotomechanischer Nachdruck der Ausg.1907-1950, Leipzig 1980.

Standort/Bildrecht: Institut für Kunstgeschichte der LMU, München