Institut für Kunstgeschichte
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Literaturrecherche: Wie gehe ich vor?

Um sich mit der vorhandenen wissenschaftlichen Literatur zum Thema auseinandersetzen zu können, ist eine gründliche Recherche erforderlich. Es ist sinnvoll, sich zunächst darauf zu konzentrieren, möglichst neue Literatur zu finden, da diese einerseits den aktuellen Stand der Forschung darstellt, andererseits oftmals ältere Titel berücksichtigt, also weiterführende Literaturhinweise enthält.

Nach was suche ich?

Nehmen wir an, daß Ihre Aufgabe lautet, Tizians Reiterporträt Karls V. als Herrschaftsporträt zu analysieren. Für die Literatursuche ist es zunächst sicherlich sinnvoll, Literatur zum Maler, also Tizian, zu recherchieren und zwar zum einen Titel, die sich mit 'Ihrem' Bild beschäftigen wie zum anderen solche, die das Werk des Malers allgemein untersuchen, so daß Sie am Schluß über solide Kenntnisse zum Gesamtwerk des Malers, die Stellung 'Ihres' Bildes in seinem Werk und die wichtigsten Informationen zum Bild selbst (technische Daten, Kontext etc.) verfügen. Angesichts Ihrer spezifischen Fragestellung ist es aber genauso wichtig, sich Literatur zur Geschichte des Porträts im Allgemeinen oder des Herrschaftsporträts im Besonderen zu beschaffen. Nun aber ist Ihre Kreativität und Ausdauer gefragt: Je mehr Informationen Sie sich über die Forschungsliteratur, die Ihr Thema genau abdeckt, hinaus verschaffen, desto eher werden Sie neue Ideen entwickeln oder zu neuen Erkenntnissen gelangen (Motto: Think Outside the Box!!!). So könnte man sich mit anderen Malern der venezianischen Renaissance, der Malerei in Venedig zu anderen Zeiten oder Malerei derselben Zeit in anderen Regionen beschäftigen, um Vorbilder, Parallelen oder auch Abweichungen in der Porträtdarstellung oder der Bildauffassung herauszuarbeiten. Denkbar wäre auch, sich auf die Person des Dargestellten, Karls V., zu konzentrieren, und beispielsweise nach seinem Herrschaftsverständnis, seinem Verhältnis zum Maler oder seiner 'Kunstpolitik' im Allgemeinen zu fragen. Und richtig interessant werden könnte es dann, wenn man zeitgenössische Quellen zur Pferdekunde ausgräbt oder solche, die den idealen Herrscher beschreiben.

Insgesamt gilt: Es ist immer besser, ein Buch mehr und vielleicht umsonst – weil thematisch irrelevant – konsultiert zu haben, als eines zu wenig.

Wie und wo suche ich Literatur zu einem bestimmten Thema?

Aktuelle Literatur zu einem Thema findet man am besten auf zwei Wegen: Über die Kataloge kunsthistorischer Fachbibliotheken bzw. über Fachbibliographien. Am besten ist es natürlich, beide Suchverfahren anzuwenden!

1. Fach-Bibliothekskataloge

Wenn man auf Literatursuche geht ist es naheliegend zu prüfen, was sich in den Bibliotheken der näheren Umgebung zum Thema finden läßt. Viele greifen deshalb zur Recherche auf die mittlerweile in fast allen Bibliotheken vorhanden Online-Kataloge zurück und sind irritiert, wenn etwa die Suche per Eingabe eines thematischen Stichwortes nur spärliche Ergebnisse einbringt. Verständlich wird dies, wenn man sich verdeutlicht, daß diese Kataloge nach ganz bestimmten Prinzipien angelegt sind: 1. Sie dokumentieren den Bestand der jeweiligen Bibliothek  - und nur den! Wenn also eine Bibliothek ein Buch zu einem bestimmten Thema nicht ankauft, weil es ihr beispielsweise zu teuer ist, dann wird man dieses Buch nicht ausfindig machen können, solange man nur in dem Katalog dieser Bibliothek recherchiert, obwohl das Buch im Buchhandel oder in anderen Bibliotheken verfügbar ist. 2. Die meisten Bibliothekskataloge verzeichnen nur Monographien (im Gegensatz zu Bibliographien). Unselbständige Schriften, wie Aufsätze in Zeitschriften oder Sammelbänden, die oftmals rascher auf aktuelle Fragestellungen reagieren können als ein Buch, an dem ein Autor möglicherweise fünf Jahre feilt, werden dagegen nicht erfaßt. Deshalb ist es nicht sinnvoll (!), sich bei der Literaturrecherche auf die Stichwort-Suche etwa im OPAC der Universitätsbibliothek oder der Bayerischen Staatsbibliothek zu verlassen. Diese Kataloge werden vielmehr dann wichtig, wenn es um die Literaturbeschaffung geht.

Unter den Online-Katalogen gibt es aber eine wichtige Ausnahme für Kunsthistoriker. Es handelt sich um einen Katalog, der wiederum die Kataloge mehrere Bibliotheken zusammenfaßt und zwar von solchen, bei denen es sich entweder um kunsthistorische Bibliotheken handelt oder um Bibliotheken, die einen Sammelschwerpunkt im Bereich kunsthistorischer Literatur haben: das Artlibraries.net. Welche Bibliotheken in diesen Katalog einspeisen, kann man sehen, wenn man auf der Startseite die Option 'einzelne Kataloge wählen' eingibt.

bild von artlibrariesnet

Entscheidend aber ist, daß dort ein Katalog beteiligt ist, in dem die Kataloge von drei großen kunsthistorischen Forschungsinstituten, dem Zentralinstitut für Kunstgeschichte in München und den beiden kunsthistorischen Instituten im italienischen Ausland (Florenz, Rom), zusammenlaufen (Bezeichnung: Kubikat = Kunstbibliotheken Katalog). Der Kubikat, den man im übrigen auch unabhängig von dem Artlibraries-Verbund konsultieren kann, hat zwei große Vorteile: Erstens erfaßt er neben monographischer Literatur auch unselbstständige Schriften. Zweitens werden die Titel nicht nur erfaßt, sondern auch systematisch erschlossen, so daß es möglich ist, nach Sachbegriffen zu suchen (nützlich ist es hier, den Index-Button zu benutzen).

kubikat

 

2. Bibliographien

Eine andere Möglichkeit der Literaturrecherche bieten sogenannte Bibliographien. Sie stellen Literatur fach- oder themenbezogen zusammen, unabhängig von der Verfügbarkeit in einer bestimmten Bibliothek. Die wichtigste kunsthistorische Bibliographie ist die BHA (Bibliography of the History of Art, sowie Ihre "Vorgänger"). Sie verzeichnet seit 1973 Monographien und Aufsätze, die zu kunsthistorischen Themen erscheinen. Ihr Plus gegenüber den oben genannten Bibliothekskatalogen ist, daß ein Redaktionsteam 1. neben monographischen Titeln auch unselbstständige Schriften verzeichnet sowie 2. die aufgenommenen Titel auswertet und sowohl mit Schlagworten versieht als auch mit einem Abstract, über das sich rasch ermitteln läßt, ob der recherchierte Titel für das eigene Thema relevant ist. In ihrer Ursprungsversion war sie in Form von gedruckten Bänden verfügbar, mittlerweile gibt es eine elektronische Version der BHA, die eine rasche Recherche ermöglicht (erreichbar von allen Uni-Rechnern und von zu Hause über Uni-Kennung über obigen Link oder über "Datenbanken" auf der Homepage der UB). Um erfolgreich in der BHA recherchieren zu können, ist es ratsam, vorab die in der Online-Version enthaltene Anleitung zu studieren (z.B. muß bei der kombinierten Suche nach zwei Wörtern zwischen den Worten ein AND [Großbuchstaben] stehen, auch kennt das System keine Umlaute!!!).

Homepage BHA

Außerdem sollte man im Kopf behalten, daß die Datenbank Literatur erst ab 1973 erfaßt, für ältere Titel also eventuell eine Suche mit anderen Mitteln notwendig sein könnte.

Neben der BHA gibt es eine Reihe anderer geisteswissenschaftlicher Bibliographien, die für den Kunsthistoriker hilfreich sein können. Dazu gehört der ebenfalls in digitaler Form verfügbare Arts and Humanities Citation Index. Er ist zu finden auf der Homepage der Bayerischen Staatsbibliothek unter 'Datenbank-Infosystem' - Kunstgeschichte -: Arts and Humanities Citation Index.

Darüber hinaus gibt es eine Vielzahl von themenspezifischen Katalogen, Bibliographien und Spezialverzeichnissen:

  • Eine Auflistung digitaler Bibliographien findet sich in den Datenbankbereichen von Universitätsbibliothek und Bayerischer Staatsbibliothek.
  • Ein Verzeichnis älterer kunsthistorisch relevanter Bibliographien bei Wilk-Mincu, Barbara: Wie finde ich kunstwissenschaftliche Literatur, 3., auf den neuesten Stand gebrachte Aufl., Berlin 1992
  • Sollten Sie sich eingehender mit den Möglichkeiten EDV-gestützter kunsthistorischer Recherche beschäftigen wollen, ist außerdem folgendes Buch zu empfehlen:
    Kohle, Hubertus/Kwastek, Katja: Computer, Kunst und Kunstgeschichte, Köln 2003

 

Gabriele Wimböck