Institut für Kunstgeschichte
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Ernst Kitzinger

geb. 27.12.1912 in München,
gest. 22.01.2003 in Poughkeepsie (NY)

Ernst_KitzingerErnst Kitzinger studierte von 1931 bis 1934 Kunstgeschichte an der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Bereits mit 22 Jahren promovierte er bei Prof. Pinder über „Römische Malerei vom 7. bis zur Mitte des 8. Jahrhunderts“. Die rund 40 Seiten umfassende Dissertation behandelte ein kaum erforschtes Gebiet und legte den Grundstein für Kitzingers spätere Verdienste in der Untersuchung spätantiker, byzantinischer und frühmittelalterlicher Kunst. Aufgrund fehlender Berufsmöglichkeiten für „Nichtarier“ emigrierte er unmittelbar nach der Promotion, die er zu einem großen Teil in Rom
vorbereitete, nach England.

1935-40 war Kitzinger als Assistent am British Museum tätig, wo er unter anderem die Aufgabe übernommen hatte, die Entwicklung der Kunst von der Spätantike bis zur Romanik anhand der Kunstgegenstände des Museums und der British Library darzustellen. Seine Forschung zur frühmittelalterlichen angelsächsischen Kunst resultierte 1940 in der Publikation „Early Medieval Art at the British Museum“, die zu einem wichtigen Standardwerk wurde. Mit dem Kriegseintritt Englands wurde Kitzinger in seinem Exilland als Feind betrachtet, des Landes verwiesen und 1940 nach Australien deportiert. Nach Entlassung aus seiner neunmonatigen Internierung emigrierte er 1941 in die USA.

Bei der Emigration und der Suche nach einer Anstellung kamen ihm sein Cousin, der Kunsthistoriker Richard Krautheimer, und seine Gattin Trude maßgeblich zu Hilfe. Davon zeugen unter anderem Briefe, die Kitzinger während seiner Internierung von den Krautheimers erhielt. Da sie bereits in den USA lebten, konnten sie Kitzinger über die Berufschancen für Kunsthistoriker und den Status der Kunstgeschichte an den Universitäten und Colleges vor Ort informieren. In den USA spielte die Kunstgeschichte als Wissenschaft damals keine besonders wichtige Rolle, was Krautheimer und Kitzinger die Gelegenheit bot, das Fach mitauf- und auszubauen. So erweiterte Ernst Kitzinger das Forschungszentrum Dumbarton Oaks der Harvard University in Washington D.C. zu einer weltweit renommierten Forschungseinrichtung für byzantinische Kunst aus. Bereits 1941 wurde er dort Fakultätsmitglied, 1946 lehrte er als Assistant Professor für Byzantinische Kunst und Archäologie. 1955 wurde er schließlich zum Direktor der Forschungseinrichtung ernannt, welche er bis 1966 sehr erfolgreich leitete. So war er unter anderem Herausgeber der Dumbarton Oaks Papers, die noch heute erscheinen. Auch der Aufbau eines umfangreichen Fotoarchivs am Forschungszentrum zählt zu Kitzingers wichtigen Verdiensten.

Seit 1956 lehrte Ernst Kitzinger darüber hinaus als Professor an der Harvard University in Cambridge (MA). Den größten Teil seiner Karriere verbrachte der gebürtige Münchner in Washington D.C. und Cambridge – lediglich 1944-45 war er kriegsbedingt als Research Analyst für das Office of Strategic Services in London tätig. 1982 wurde Ernst Kitzinger für seine Verdienste der Orden Pour le Mérite für Wissenschaft und Künste verliehen.

Veröffentlichungen:

  • Römische Malerei vom Beginn des 7. bis zur Mitte des 8. Jahrhunderts, München 1934 (Diss.)
  • Early medieval Art in the British Museum, London 1940
  • Israeli Mosaics of the Byzantine Period, New York 1965
  • The Art of Byzantium and the medieval West. Selected Studies, Bloomington 1976
  • Byzantine Art in the Making: Main Lines of stylistic Development in Mediterranean Art 3rd-7th Century, London, Cambridge (MA) 1977
  • Byzantinische Kunst im Werden. Stilentwicklungen in der Mittelmeerkunst vom 3. bis zum 7. Jahrhundert, Köln 1984
  • Kleine Geschichte der frühmittelalterlichen Kunst. Dargestellt an Zeugnissen der British Museums und der British Library in London, Köln 1987

Quellen/ Literatur:

  • Stadtarchiv München: Einwohnermeldekarten (Kitzinger Ernst, Kitzinger, Wilhelm)
  • Universitätsarchiv München: Promotionsakte, Studentenkartei (Kitzinger, Ernst)
  • Wendland, Ulrike: Biographisches Handbuch deutschsprachiger Kunsthistoriker im Exil. Leben und Werk der unter dem Nationalsozialismus verfolgten und vertriebenen Wissenschaftler, München, 1996
  • Johnson, Ken: Ernst Kitzinger. Professor and Writer on Byzantine Art dies at 90, in: The New York Times (09.02.2003)

Recherche und Text: Sandra Steinleitner