Institut für Kunstgeschichte
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II. In Form gebracht. Formatfragen

Hans Röhm

Hans Röhm

Künstler: Hans Röhm
Titel: Das Riesenspielzeug
Datierung: vermutlich um 1900
Technik: Radierung
Maße: Platte: 235 x 230 mm/ Papier: 246 x 236 mm

 

Über den Maler und Illustrator Hans Röhm ist nicht sehr viel bekannt, außer dass er 1877 in Nürnberg geboren wurde und ab 1897 bei Wilhelm von Diez Malerei an der Münchner Akademie der bildenden Künste studierte.

Die Radierung Röhms zeigt einen Riesen ohne Kleidung in einem Waldstück, der mit einem Finger seiner rechten Hand auf einen kleinen, am Boden liegenden und ängstlich blickenden Menschen drückt.  Aus einer Kutsche hinter einem Baumstamm lugt ein ebenso erschrockenes Gesichtchen und eine weitere kleine Person flüchtet  in Richtung des nahe gelegenen Dorfes. Der Riese sieht aber nicht böse oder gemein aus, sondern zeigt im Gegenteil einen freundlichen, gutmütigen Gesichtsausdruck. Auch wenn die kleinen Personen auf dem Bild Angst vor ihm haben, scheint der Riese ihnen eigentlich nichts antun zu wollen. Er  blickt neugierig, als ob er mit dem am Boden Liegenden spielen oder ihn kitzeln wolle. Nur leider ist er etwas ungeschickt und merkt nicht, was für eine Gefahr seine enormen Glieder und seine große Kraft  für die Dorfbewohner darstellen.

In dieser Thematik erinnert das Blatt an die Sage des Riesenspielzeuges, in der ein Riesenmädchen einen Bauern samt Fuhrwerk für ein besonders schönes Spielzeug hält und einfach in die Tasche steckt. Wesentlich in beiden Darstellungen ist vor allem die Schilderung der Größe im Verhältnis zu Mensch und Umwelt. So hält der Riese in Röhms Illustration zusätzlich einen abgeknickten Baum in seiner linken Hand um zu zeigen: das, was für den Menschen ein hoher Baum ist, ist für den Riesen ein kleiner Stock. Riesen, so die verbreitete Annahme in Märchen und Sagen, benutzen ausgerissene Bäume als Waffen oder Spazierstock und ihr technisch handwerkliches Wissen ist unterentwickelt. (vgl. Röhrich: 2004, 674)

Doch nicht nur innerhalb des Bildmotives werden Fragen des Verhältnisses von groß und klein behandelt, sondern auch formal wird besonders das Format des Bildes in Szene gesetzt.

Der Riese ist so groß, dass er eigentlich gar nicht auf den Bildraum passt. Damit er ganz zu sehen ist, muss er sich bücken, stößt aber trotzdem mit seinem Rücken beinahe an den Bildrand. Es scheint als müsse er sich regelrecht in das Bild hinein quetschen.

Dadurch wird einerseits seine Größe verdeutlicht, andererseits aber genauso die Begrenztheit des Blattes. Das Bild zeigt in einer Art Selbstreflexion, wie einerseits das Bildmotiv gezwungen ist sich der beschränkten Fläche zu beugen, wie auf der anderen Seite aber auch das Format durch das Bildmotiv determiniert wird. Wenn der Riese sich aufrichtet, droht er das Bild, bzw. seine Umgrenzung zu sprengen und es damit zu zerstören, getreu dem eingangs zitierten Satz von Jacob Burckhardt (Burckhardt 2003, 509) „Das Format ist nicht das Kunstwerk, aber eine Lebensbedingung des Selben.“

So visualisiert diese Darstellung formal die einleitend formulierte Überlegung von der Umrisslinie als einem Paratext, die als sowohl formal konstitutives als auch motivabhängiges Merkmal erscheinen kann und thematisiert motivisch besonders das Verhältnis von groß und klein im Bezug auf den Menschen.

Mara Rusch

Literatur:

  • Burckhardt, Jacob: Format und Bild. In: Jacob Burckhardt-Stiftung Basel (Hg.). Vorträge 1876-1892. Bd. 13, München, 2003, S. 506-516.
  • Röhrich, Lutz: Riese, Riesin. In: Rolf Wilhelm Brednich (Hg.). Enzyklopädie des Märchens. Handwörterbuch zur historischen und vergleichenden Erzählforschung. Bd. 11, Berlin 2004. S. 668-682.
  • Akademie der bildenden Künste München. 01671 Hans Röhm, Matrikelbuch 1884-1920,
  • http://matrikel.adbk.de/05ordner/mb_1884-1920/jahr_1897/matrikel-01671 (Zugriff vom 13/07/10)

Standort/Bildrecht: Institut für Kunstgeschichte der LMU, München