Institut für Kunstgeschichte
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I. de-signum. Eine Einführung

F. Chauveau

F. Chauveau

Künstler: F. Chauveau (1613-1676)
Titel: Begräbnis eines Helden
Datierung: Ende des 17. Jahrhunderts
Technik: Kupferstich
Maße: B: 80 x 139; P: 81x 129
Beischrift: F. Chauveau fe. et in

 

Diese Darstellung, vermutlich eine Buchillustration, ist ein Stich von François Chauveau, einer der berühmtesten Graphiker des 17. Jahrhunderts. Ausgebildet in der Werkstatt von Lawrence Hyre, spezialisierte sich Chauveau ganz auf die Kunst der Zeichnung und der Druckgraphik. Dank seines Talents und seiner fundierten Ausbildung, fand er leicht Kontakt zu anderen Gelehrten und Künstlern, darunter Charles Sorel, Charles Lebrun, Jean Varin und Nicole-Geneviève Nanteuil. Im Jahre 1663 wurde Chauveau als „conseiller“ in die Königliche Akademie für Malerei und Skulptur aufgenommen und, nachdem er die Druckgraphiken des Carrousel von Ludwig XIV. angefertigt hatte, erhielt er angesichts der Qualität seiner Stiche den Titel des Graveur du Roi. Chauveau war ein außerordentlich produktiver Künstler, bisher sind etwa 1600 druckgraphische Blätter katalogisiert, die meisten davon fertigte er nach eigenen Entwürfen an. Laut J.M. Papillon, der 1738 eine Denkschrift zu Chauveau verfasste, wurden etwa 1400 Blätter von anderen Künstlern nach Chauveaus Zeichnungen gestochen. Ein Großteil seiner Werke waren Illustrationen für Bücher, Theaterstücke und Gedichte.

Obwohl die sichere Identifikation des Sujets nicht einfach ist, liegt die Vermutung nahe, dass es sich um das Begräbnis eines Helden handelt. Zwei geflügelte Engel legen den Leichnam eines jungen Kriegers in ein Grab, wahrend ein dritter Engel den Grabdeckel beiseite wuchtet. Die figürlichen Szenen auf der Vorderseite des Sarkophags lassen vermuten, dass der junge Krieger im Kampf gegen eine weit überlegene Heerschar ums Leben gekommen ist. Die figürliche Wiedergabe seiner Taten auf dem Grab garantiert dem Krieger unsterblichen Ruhm; womöglich ist die geflügelte Gestalt, die die Szenen auf dem Grabstein meißelt, als Personifikation des Ruhmes zu verstehen. Geflügelte Personifikationen der Fama dienten schon im 16. Jahrhundert als Vorlage für Personifikationen der Malerei, so dass Chaveau hier möglicherweise  eine Personifikation der Graphik geschaffen hat. Die Leichtigkeit jedenfalls, mit der diese gelfügelte Gestalt Figuren in den Stein meißelt, gemahnt eher an die Radierung als an eine bildhauerische Tätigkeit, mit der der Stich andererseits vielfach verglichen wurde. Vermutlich stand für diese Idee Horaz Pate, der in der letzten Ode des dritten Buchs folgendes schreibt: «Denkmal fester denn Erz türmt ich und alterslos. Überm Quadergebirg schlummernder Könige Ragt sein Scheitel; an ihn setzt den gefräßigen Zahn der Regen umsonst oder der Wind, ihm raubt Unauszählbare Flucht wandelnder Jahre nichts. Trauer, ich sterbe nicht ganz. Viel von dem Meinigen Geht der Grube vorbei». Wie die Taten des Helden dank ihrer Darstellung nicht in Vergessenheit geraten werden, so wird auch der Künstler, sei er Dichter oder Kupferstecher, dank der Reproduktion und der Verbreitung seiner Werke unsterblich.

Die gesamte Komposition beruht auf einer bewundernswürdigen technischen und stilistischen Meisterschaft der Linie. Man könnte fast behaupten, dass Chauveau in diesem Werk die Theorie der Linie des Klassizismus vorwegnimmt. Der Umriss, der Kontur war nämlich das Zauberwort, das die Klassizisten elektrisierte. Die Linie war für die Klassizisten ein sinnliches Element und diente ebenso der Belebung wie der Begrenzung der Fläche. Sie war ein Ornament der Fläche, vermochte aber in der feineren Binnenzeichnung die Tonalität und Schattengebung der Malerei wiederzugeben. Dieses Werk von François Chauveau bekennt sich eindeutig zur Linie und versteht so die Druckgraphik als eigenständiges künstlerisches Medium.

Anna Dalle Mule

Literatur:

  • Schröder, Rudolf Alexander, Die Gedichte des Horaz, Gesamtausgabe: Oden, Carmen saeculare, Epoden, Wien, 1935; Klassizismus in Frankreich um achtzehnhundert, München, 1941
  • Dacier, Émile, La gravure française, 48 planches hors texte en héliogravure, Paris, 1951.
  • Vallery-Radot, Jean, Le dessin français au XVIIe siècle, Lausanne, 1953.
  • Préaud, Maxime, Inventaire du fonds français / Graveurs du XVIIe siècle/17, Paris, 1988.
  • Larcena, Dominique, François Chauveau, peintre, dessinateur & graveur (1613 - 1676), Courbevoie, 2009.

Standort/Bildrecht: Institut für Kunstgeschichte der LMU, München