Institut für Kunstgeschichte
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Richard Krautheimer

geb. 06.07.1897 in Fürth,
gest. 01.11.1994 in Rom

Richard_KrautheimerRichard Krautheimer wurde am 6. Juli 1897 in Fürth in Mittelfranken (Bayern) geboren. Seine Eltern, Nathan und Martha Krautheimer, geb. Landmann, gehörten zu den angesehenen jüdischen Familien der Stadt. Zum WS 1916/17 immatrikulierte sich Richard Krautheimer an der Universität München für „Phil (Gesch.)“, war aber „Im Heere seit 17.7.1916“ [Universitätsarchiv München, Karteikarte der Studentenkartei]. Erst im Kriegsnotsemester 1919 konnte er sein Studium aufnehmen.

Bereits in seinem ersten Semester belegte er bei August Liebmann Mayer, dem Kustos an den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen (Alte Pinakothek) und Dozenten der Universität München, Übungen zum Bestimmen von Bildern und Plastiken, sowie bei Privatdozent Paul Frankl Baugeschichtliche Übungen. Daneben nahm er an Kursen in deutscher Literatur, Philosophie, Geschichte und an zwei jeweils vierstündigen Veranstaltungen in Griechischer Kunstgeschichte und Allgemeiner Staatslehre, Staatsrechtslehre und Politik teil. Ab dem zweiten Semester wurde er in Heinrich Wölfflins Kunsthistorisches Seminar aufgenommen. Als Schwerpunkte seines Studiums kristallisierten sich während seiner viersemestrigen Münchner Zeit Kunstgeschichte neben Philosophie und Germanistik heraus. Bei Paul Frankl in Halle promovierte Richard Krautheimer 1923 mit einer Arbeit über „Die Kirchen der Bettelorden in Deutschland“. Anschließend arbeitete er im Winter 1923/24 im Preußischen Denkmaldienst in Erfurt, wo er Trude Hess kennenlernte. Beide heirateten im März 1924 und reisten dann eineinhalb Jahre durch Italien – „finanziert von den Eltern“ [Richard Krautheimer, „Anstatt eines Vorworts“, in: Richard Krautheimer, Ausgewählte Aufsätze zur europäischen Kunstgeschichte, Köln 1988, S. 10].

Richard und Trude Krautheimer lernten Palermo, Bari, Neapel, Bologna, Venedig, Mailand, Florenz und Siena kennen und hielten sich ab November 1924 acht Monate in Rom auf. Während dieser Zeit kam er das erste Mal in Berührung mit der Antike, Roms Kirchen und der Kunst Raffaels, Michelangelos, Bramantes, Berninis und Borrominis. Auch knüpfte er erste Kontakte zur Bibliotheca Hertziana, dem Forschungsinstitut zur Erforschung der italienischen und römischen Kunst, insbesondere der Nachantike, der Renaissance und des Barock. 1927 habilitierte sich Richard Krautheimer bei Richard Hamann in Marburg über ein Thema der jüdischen Kunstgeschichte, über „Mittelalterliche Synagogen“. In Marburg begann er seine Lehrtätigkeit. Im selben Jahr nahm er die Arbeit am „Corpus basilicarum Christianarum Romae“ auf. Dieses Werk sollte fast 50 Jahre in Anspruch nehmen und kam in fünf Foliobänden heraus. Seine Frau Trude promovierte 1928 über „Die figurale Plastik der Ostlombardei von 1100 bis 1178“. Bis 1933 unternahmen sie Reisen nach Italien, Frankreich, Griechenland und die Türkei.

Aufgrund der sich für Juden verschärfenden Lage im nationalsozialistisch ausgerichteten Deutschland gingen Richard und Trude Krautheimer im August 1933 nach Rom und Ende 1935 in die USA. Richard Krautheimer nahm 38-jährig eine Stelle an der Universität in Louisville, Kentucky, an und begründete dort das Institut für Kunstgeschichte. Mit einem Kredit von zehntausend Dollar reiste er nach New York, kaufte Unterrichtsmaterialien und Lichtbilder und stattete die Bibliothek aus. Erschwerend für ihn war, dass er Englisch lernen und in dieser bis dahin für ihn unbekannten Sprache unterrichten musste. In späteren Jahren schätzte er allerdings das Englische als Wissenschaftssprache sehr, denn „es ist sehr viel bestimmter im Ausdruck als das Deutsche, der Satzbau ist logisch und deutlich. Das zwingt dazu, Gedanken schärfer zu durchdenken, um sie klar auszudrücken.“ [Richard Krautheimer, „Anstatt eines Vorworts“, in: Richard Krautheimer, Ausgewählte Aufsätze zur europäischen Kunstgeschichte, Köln 1988, S. 18]

1937 gingen Trude und Richard Krautheimer nach Poughkeepsie, wo Richard Krautheimer an der 1861 gegründeten Elitehochschule für den weiblichen Nachwuchs des gesellschaftsrelevanten, gebildeten Bürgertums, dem Vassar College, zu unterrichten begann. Die Nähe zu New York ermöglichte es ihm zusätzlich pro Jahr ein Semester am Institute of Fine Arts eine Vorlesung über die Geschichte der Architektur zu halten. Bis 1938 verbrachte das Ehepaar jeden Sommer in Rom; so konnte Richard Krautheimer die Arbeit am Corpus weiterführen. In Nazi-Deutschland wurde er zwischenzeitlich der deutschen Staatsangehörigkeit für verlustig erklärt. 1952, mit 55 Jahren, erhielt Richard Krautheimer eine Festanstellung am Institute of Fine Arts in New York. Er schätzte insbesondere den fruchtbaren Austausch mit seinen Student/inn/en, die er als jüngere Kolleg/inn/en betrachtete. Bei seinen Seminaren zu Themen wie der justinianischen Architektur, dem Kirchenbau zur Zeit Konstantins, den frühchristlichen Kirchen Mailands, zu Alberti oder Alt-St.-Peter begrenzte er die Teilnehmerzahl auf zwölf. Nach dem Zweiten Weltkrieg reiste er während der Sommermonate und Freisemester wieder zum Forschen nach Rom – jeweils eingeladen an die American Academy.

fffWährend der ersten eineinhalb Nachkriegsjahrzehnte setze sich Krautheimer intensiv mit der Renaissance auseinander. Eine wichtige Publikation aus dieser Zeit, die Richard Krautheimer zusammen mit seiner Frau Trude Krautheimer-Hess verfasste, ist das Buch über Lorenzo Ghiberti, das 1954 manuskriptfertig vorlag. In den sechziger Jahren beschäftigte sich Richard Krautheimer vornehmlich mit frühchristlicher Architektur. Seit Mitte der fünfziger Jahre bereiste er neben Griechenland und der Türkei auch Israel, Tunesien und Spanien. 1965 erschien die erste Auflage des Überblickswerks „Early Christian and Byzantine Architecture“ in der Reihe „The Pelican History of Art“. Mit 73 Jahren wurde Richard Krautheimer im WS 1970/71 vom Institute of Fine Arts in New York nach  vierzigjähriger Lehrtätigkeit emeritiert. Wolfgang Lotz, seit 1963 Direktor der Bibliotheca Hertziana, hatte ihm bereits 1969 eine Wohnung im Palazzo Zuccari, dem Sitz des Instituts, als Alterssitz angeboten. Im Frühsommer 1971 zogen Trude  und Richard Krautheimer dort ein. Er widmete sich nun intensiv dem Schreiben. 1976 ging der fünfte und letzte Band des „Corpus basilicarum Christianarum Romae“ in Druck. Weitere wichtige Bücher seiner letzten Schaffensperiode sind die Monographie „Rome. Profile of a City, 312-1308“ von 1980 (1987 auf Deutsch erschienen), „Three Christian Capitals. Rome, Constantinople, Milan“ von 1983 (1987 auf Italienisch erschienen), „The Rome of Alexander VII, 1655-1667“ von 1985 (1986 auf Italienisch erschienen) oder „St. Peter’s and Medieval Rome“ aus demselben Jahr. 1987 verstarb seine Frau Trude. Am 21. April 1994, ein halbes Jahr vor seinem Tod am 1. November, erhielt Richard Krautheimer auf dem Kapitol die Ehrenbürgerschaft der Stadt Rom verliehen. Er starb als „CIVIS ROMANUS“. Sein Grab, versehen nur mit seinen Lebensdaten und diesem Zusatz, befindet sich am Friedhof an der Cestius-Pyramide.

Bildverweis: Porträt Richard Krautheimer, Rom 1991
© Ingrid von Kruse

Auswahlbibliografie:

  • Richard Krautheimer: Die Kirchen der Bettelorden in Deutschland (Deutsche Beiträge zur Kunstwissenschaft, 2), Köln 1925 [Neuauflage 2000]
  • Richard Krautheimer: Mittelalterliche Synagogen, Berlin 1927
  • Richard Krautheimer, Wolfgang Frankl, Spencer Corbett und Alfred K. Frazer: Corpus basilicarum Christianarum Romae – Early Christian Basilicas of Rome, 5 Bde., Vatikanstadt 1937-1977 [ital. 1937-1980]
  • Richard Krautheimer: Introduction to an „Iconography of Medieval Architecture“, in: Journal of the Warburg and Courtauld Institutes 5, 1942, S. 1-33
  • Richard Krautheimer: The Carolingian Revival of Earl Christian Architecture, in: Art Bulletin 24, 1942, S. 1-27
  • Richard Krautheimer, Wolfgang Frankl und E. Josi: Le esplorazioni nella basilica de S. Lorenzo nell’Agro Verano, in: Rivista d’Archeologia Cristiana 26, 1950,  S. 9-48
  • Richard Krautheimer, E. Josi und W. Frankl: S. Lorenzo fuori le mura in Rome; Excavations and Observations, in: Proceedings of the American Philosophical Society 96, 1952, S. 1-26
  • Richard Krautheimer und Trude Krautheimer-Hess: Lorenzo Ghiberti, (Princeton Monographs in Art and Archaeology 31), Princeton 1956
  • Richard Krautheimer: Early Christian and Byzantine Architecture (The Pelican History of Art 24), Harmondsworth/Middlesex 1965 [4. Aufl. 1986]
  • Richard Krautheimer: Ghiberti’s Bronze Doors, Princeton 1971
  • Richard Krautheimer: Rome. Profile of a City, 312-1308, Princeton 1980 [deutsch: Rom. Schicksal einer Stadt, 312-1308, München 1987]
  • Richard Krautheimer: The Christian Capitals: Rome, Constantinople, Milan, Berkeley 1983 [italienisch: Tre Capitali Cristiane, Turin 1987]
  • Richard Krautheimer: St. Peter’s and Medieval Rome, Rom 1985
  • Richard Krautheimer: The Rome of Alexander VII 1655-1667, Princeton 1985 [italienisch: Romae di Alessandre VII, Rom 1986]
  • Richard Krautheimer: Ausgewählte Aufsätze zur europäischen Kunstgeschichte, Köln 1988
  • Richard Krautheimer: And Gladly Did He Learn and Gladly Teach, in: Rome – Tradition, Innovation and Renewal. A Canadian International Art History Conference 8-13 June 1987, hg. von Leonard E. Boyle, Joseph Ward Goering und Roger Reynolds, Rom 1991, S. 93-126

Quellen/ Literatur:

  • Stadtarchiv München, Polizeilicher Meldebogen
  • Universitätsarchiv München, Karteikarte der Studentenkartei und Belegblätter der Inscriptions-Listen
  • Richard Krautheimer: Anstatt eines Vorworts, in: Richard Krautheimer, Ausgewählte Aufsätze zur europäischen Kunstgeschichte, Köln 1988, S. 7-37
  • Golo Maurer: Richard Krautheimer (1897-1994), in: Ulrich Pfisterer (Hg.), Klassiker der Kunstgeschichte, Band 2, Von Panofsky bis Greenberg, München 2008, S. 90-106
  • Willibald Sauerländer: Richard Krautheimer (1897-1994), in: The Burlington Magazine, Bd. 137, 1995, S. 119-120 (Nekrolog)

Recherche und Text: Claudia Kapsner