Institut für Kunstgeschichte
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IV. Die Wahrheit in der Linie

Abraham Blooteling

Abraham Blooteling

Künstler: A. Blooteling (Stecher)
Vorlage: Paolo Veronese, Susanna und die Alten
Titel: Susanna und die Alten
Datierung: Mitte 17. Jahrhundert
Technik: Mezzotinto/Schabtechnik
Maße: 354 x 275 mm
Beischrift: P. Veronees pinx und A. Blotelingh fecit et ex.

 

Susanna und die Alten gehört zu einer großen Reihe von Reproduktionsgraphiken aus der Sammlung des kunsthistorischen Instituts. Die Graphik gibt ein Werk wieder, das Paolo Veronese zugeschrieben wurde und sich früher einmal in der Gemäldegalerie in Dresden befand. Seit 1632 ist das Werk Veroneses in dem Inventar der Sammlung von Roberto Canonici verzeichnet. Die am unteren Rand stehenden Worte geben Auskunft über den Maler, das Vorbild und den Stecher.

Eine noch junge Frau sitzt schon halb entblößt an einem Wasserbecken. Sie wäscht sich mit der linken Hand die Füße und ist in ihre Tätigkeit versunken, nichtsahnend wird sie von zwei Männern beobachtet. Auf der Platte wurde ein schwarzer Rand eingelassen. Nach dem Druck auf Papier rahmt dieser Rand das Bild und der Betrachter kann an den Kanten des schwarzen Rahmens noch die durch die Druckplatte entstandene Vertiefung erkennen.

Die Geschichte zu diesem Bild soll sich etwa 590 Jahre vor Christus in Babylon ereignet haben und ist in den Apokryphen, dem Buch Daniel, zu finden. Nach Daniel lebte damals in Babylon ein reicher Mann, Jojakim, mit seiner schönen und frommen Frau Susanna. Diese pflegte, in dem schönen Garten ein Bad zu nehmen. Jojakim nahm zwei alte Richter bei sich auf. Diese zwei Alten begehrten die junge Frau und folgten ihr zu ihrer Badestelle, eben dieser Moment ist in der vorliegenden Darstellung abgebildet. Man sieht den Augenblick vor dem Erschrecken Susannas. Die beiden Greise bedrängten die junge Frau und wollten sie zwingen, mit ihnen zu schlafen, ansonsten würden sie Susanna des Ehebruchs beschuldigen. Susanna blieb jedoch standhaft und weigerte sich. Somit ließen die beiden Alten Susanna mit der Begründung Ehebruch begangen zu haben verhaften. Sie wurde zum Tode verurteilt, doch bevor das Urteil vollstreckt wurde, bekam Daniel eine göttliche Eingebung und ließ die beiden Alten erneut verhören. Durch dieses Verhör erkannten alle, dass die beiden Alten gelogen hatten und darauf wurden diese gesteinigt. Dieses Motiv war bei vielen Künstlern sehr beliebt gewesen.

Der eigentlich auf die Niederlande spezialisierte Künstler Abraham Blooteling (1634-1676) beschäftigte sich viel mit Rubens. Doch er arbeitete insgesamt nach 69 weiteren Meistern. Blooteling stach auch Blätter nach eigenen Erfindungen und tat dies in verschiedenen Manieren, die jedoch alle die gleiche Festigkeit besaßen. Es gelang ihm wunderbar, Farbe in Schwarz-Weiß zu übersetzen. Dies war keine leichte Aufgabe, da die Künstler Venedigs, zu denen Paolo Veronese zählt, bekannt waren für ihre Wiedergabe des colorit. Wie de Piles davor, so sah auch Diderot den Stecher als Übersetzer von Farbe in Schwarz-Weiß. Nach Diderot kann man die Komposition und den Gesamteindruck des Ganzen abbilden, die Farbe jedoch ist schwer wiederzugeben.

Der Technik des Mezzotinto (Schabtechnik) zeigt auch im Stich, dass die Vorlage in hellen Farben gestaltet wurde. Erkennbar ist dieses Tiefdruckverfahren dadurch, dass das Korn der Schabkunst aus kleinen Kreuzen besteht. Diese entstehen durch den Granierstahl oder Grabstahl. Die Schabtechnik modelliert im Flächigen Hell und Dunkel und ermöglicht Übergänge von tiefem Schwarz zu hellem Weiß. Um die hellen Stellen zu erzeugen, hebt man mit dem Granierstahl die hellen Lichtstellen gegenüber der schwarzen Platte hervor. Mit dieser Technik schafft man einen weichen Übergang von Hell und Dunkel sowie subtile Zwischentöne. Diese Technik hatte ihre Blüte und künstlerische Erfüllung im England des 17. Jahrhunderts, weshalb sie auch den Titel der manière anglaise oder english manner trägt.

Blooteling wurde ausgebildet als Amsterdamer Zeichner und Stecher, was er wahrscheinlich in der Schule Visschers erlernte. Er arbeitete bei B. Vaillant und wurde von Wallerant verlegt. Der Künstler adoptierte die neue Kunst der Schabmanier und verfeinerte die Methode von Wiege und Granierstahl. Mit dieser Technik konnte er eine feine Wiedergabe von Farbe und Helligkeit erreichen. Doch entsteht schon mit der Übersetzung von Farbe in Schwarz und Weiß eine Interpretation des Vorbildes. Außerdem hält sich Blooteling bei der Ausführung seiner Graphik nicht genau an sein Vorbild, denn das Motiv im Druck ist seitenverkehrt wiedergegeben. Ein Graphiker muss gleichermaßen ein Stecher und ein Zeichner sein, da er eine Balance finden muss, die Farbwerte und alle denkbaren Nuancen der Stofflichkeit täuschend wiederzugeben.

Doch erzwingt eine Übersetzung von Farbe in Schwarz-Weiß immer eine eigene Interpretation des Künstlers, da er genau überlegen muss, wie er die Farbigkeit im Druck wiedergibt. Bei der Graphik gibt es nur die Möglichkeit von Abstufungen von Hell zu Dunkel und nicht mit Komplementärfarben oder Lokalfarben zu spielen. Somit kann man nicht von einer minutiös wahrheitsgetreuen Abbildung sprechen.

Sarah Schappert

Literatur:

  • Gramaccini, Noberto /Meier, Hans Jakob: Die Kunst der Interpretation. Französische Reproduktionsgraphik 1648-1792, München/Berlin 2003.
  • Koschatzky, Walter: Die Kunst der Graphik, Salzburg 1979.
  • Nagler, Georg. K.: Neues allgemeines Künstler-Lexikon, Bd. II, Leipzig 1835
  • Pignatti, Terisio: Veronese, Venedig 1976.

Standort/Bildrecht: Institut für Kunstgeschichte der LMU, München