Institut für Kunstgeschichte
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III. Tracing lines. Linie als Gestus und Künstlerhandschrift

Rolf Cavael

Rolf Cavael

Künstler: Rolf Cavael
Titel: Lithofa 64/55 (Jahr und Werknummer)
Datierung: 1964
Technik: Farblithografie
Maße: Blatt: 59 x 43 cm/ Darstellung: 45 x 33 cm
Beischrift: Im Stein monogrammiert sowie handschriftlich signiert und nummeriert

 

Die erste Zeichnung Cavaels aus dem Jahr 1928 ist der Beginn eines Werkes, das sich der Malerei wie der Zeichnung zu gleichen Teilen widmet. Papierarbeiten dienen Cavael nicht als Vorarbeit zu einem Gemälde, sondern sind als eigenständiger Teil des Werkes zu verstehen. Etwa 2400 Ölarbeiten stehen ungefähr 2300 Zeichnungen gegenüber.

Aufgrund eines Malverbots, das die Nationalsozialisten über Cavael verhängten, war es für den Künstler wichtig, dass sich seine Arbeiten schnellstmöglich verstecken ließen. Nicht zuletzt dieser Umstand erklärt die hohe Zahl an Zeichnungen.

Die Lithographien Cavaels bedienen sich der gleichen Mittel seines zeichnerischen Werkes, sind aber wesentlich weniger zahlreich: das graphische Werk umfasst knapp hundert Arbeiten.

„So geschah es bei mir, durch die angewandte Typographie zum Augenmaß der optischen Spannungs-Verhältnisse zu gelangen und ihre Selbstständigkeit zu erkennen! Es wird nun ein neuer Wortschatz gebildet. Punkt, Linie, Fläche!“ (Cavael 1950)

Ein Studium der Typographie und angewandten Graphik an der Städelschule Frankfurt prägte das Schaffen Cavaels. Ebenso prägend war eine Begegnung mit Wassily Kandinsky im Jahr 1931 und dessen Schriften und die Graphikmappe Kleine Welten aus dem Jahr 1922.

In allen Bereichen des Werkes Cavaels ist die Linie zentrales Mittel. Aus einem von Spontaneität geprägten Gestaltungsprozess heraus verdichten sich die Linien auf dem Papier zu einem rhythmisierten Gesamtgefüge. Während des Zeichnens nutzte Cavael Musik, um sich in einen meditativen Zustand zu versetzen. Die Linie wird so zum individuellen, zeichenhaften Ausdruck.

„Die Linie ist nicht nur selbstständig und hat darin ihren vielseitigen Ausdruck, sondern sie hat eine Aufgabe- nicht nur im Antrieb, auch im Nachtrieb. Sie umschließt auf unbewußte Art eine Fläche, bildet damit eine neue Form in der Ausdehnung, die weitere Elemente fordert. Hier beginnt der Reigen eines sinnlich sich niederschlagenden Rhythmus, der im latenten Wege das bildet, was man allumfassend Ausdruck nennt.“ (Cavael 1945)

Das vorliegende Blatt aus der Sammlung des Instituts ist eine Farblithografie in drei Farben. Die roten, blauen und schwarzen Striche besitzen unterschiedliche Längen, die vielfachen Richtungswechseln unterliegen. Durch mehrfache Überlagerungen bilden sie Bündelungen und formen so ein organisch anmutendes Gesamtgebilde.

Als Ergebnis steht eine von seiner Prozesshaftigkeit gezeichnete Arbeit, in der jede Linie seine Nächste bedingt, um sich zu einem Ganzen zu formen. Die Spur der Künstlerhand bleibt hierbei als individueller Ausdruck sichtbar, trägt zu dessen offenem Charakter bei und ist das tragende Element der Graphik.

Nico Kassel

Literatur:

  • Kat. Ausst. ZEN 49. Fragmente der Erinnerung, Pinakothek der Moderne München 1999/2000, München 1999.
  • Kat. Ausst. Rolf Cavael (1898-1979). Ein Künstler des deutschen Informel, Retrospektive zum 100. Geburtstag, Museum Ostdeutsche Galerie Regensburg 1998, Regensburg 1998.
  • Wirth, Günther: Cavael. Linie und Bewegung, Zeichnungen, Stuttgart 1988.

Standort/Bildrecht: Institut für Kunstgeschichte der LMU, München