Institut für Kunstgeschichte
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Architektur und Objekte. Das Sächsische Palais und das Brühlsche Palais in Warschau

Im Jahre 2004 unterschrieb der damalige polnische Präsident Lech Kaczyński den Beschluss, die zwei im Zweiten Weltkrieg zerstören Bauwerke – das Sächsische Palais und das Brühlsche Palais am heutigen Platz Piłsudski in Warschau – wieder aufbauen zu lassen. Seitdem befand sich das Vorhaben ununterbrochen in einer hitzig geführten öffentlichen Diskussion. Ungeklärt waren nämlich die Zuständigkeiten, die zukünftige Raumnutzung (Luxusapartments oder Stadtverwaltung) und die Finanzierung. Zudem ging es auch um Fragen, welche Bauphase und welcher Zustand realisiert werden sollten und wie heute, während der ‚national-konservativen Wende‘, mit dem gemeinsamen deutsch-polnischen Kulturerbe umzugehen sei. Denn die zwei Paläste dienten August II. (1670–1733), seit 1697 König von Polen-Litauen und seinem Sohn August III. (1696−1763), wie auch dem sächsischen Premierminister Heinrich Graf von Brühl (1700−1763) als polnische Residenzen. Die dennoch angefangenen archäologischen Grabungen kamen bereits 2008 zum Erliegen, als Mauerreste der Vorgängerbauten und in den Kellergewölben 45.000 Ausstattungsobjekte resp. deren Fragmente geborgen wurden. Diese umfassen mobile Artefakte, die von Schlüsseln und Gläsern über Delfter Keramik bis hin zum chinesischen Porzellan reichen. Sie wurden durch das Państwowe Muzeum Archeologiczne in Warschau inventarisiert und lagern bisher kaum beachtet im dortigen Depot.

Diese politischen und wissenschaftlichen Desiderate sowie die Bedeutung der Bauten für die deutsch-polnische Geschichte bilden eine hervorragende Ausgangssituation für ein größeres Forschungsvorhaben. Dieses widmet sich der ausführlichen Aufarbeitung der Bauaktivitäten und Baunutzungen aus dem Zeitraum von ca. 1600–1939/1944 unter Rückgriff auf das recht disparate, aber noch vorhandene archivalische Material in Dresden und Warschau. Die geborgenen mobilen Objekte ermöglichen die Untersuchung von transkulturellen und -regionalen Verflechtungen sowie ihrer Adaptation in Warschau. Vor allem aber schaffen sie die Voraussetzung, die Bauten nicht als ‚leere Hüllen‘, sondern mitsamt ihrer Ausstattung als Ensembles zu studieren und so räumliche, gattungsübergreifende Zusammenhänge sichtbar zu machen. Für diese interdisziplinäre Betrachtung bieten sich die Werkzeuge und Methoden der digitalen Kunstgeschichte an. Auf diese Weise soll auch zum Umgang mit dem Shared Cultural Heritage beigetragen werden.

Dr. des. Joanna Olchawa