V. Sprechende Linien. Zum Verhältnis von Schrift und Bild in der Druckgrafik

Bernard Straus
Der Kupferstich zeigt in einem nahezu runden Bildfeld im Halbprofil Georg Faber von Rottenman.
Dieser wird in einem prächtigen, pelzverbrämten Gewand mit Spitzenkragen und Schärpe vor einer Vedute von Augsburg gezeigt. Im Hintergrund ist der Rathausplatz mit dem Augustusbrunnen, dem Rathaus Elias Holls sowie dem Perlachturm zu sehen. Von diesem Hintergrund ist der Porträtierte durch eine halbhohe Mauer und einen zurückgezogenen Vorhang getrennt.
Georg Faber hält in der linken Hand eine Kugel, während er mit der rechten schreibt. Auf dem Tisch vor ihm stehen eine zinnerne Flasche und ein Becher, außerdem eine Pyramide aus Kugeln, die der gleichen, die er in der Hand hält, sowie drei spitze Tütchen.
Das Bildfeld wird von einem Schriftband umzogen, das wie ein Bildrahmen wirkt und Namen, Herkunft, Alter sowie kaiserliche Privilegien des Dargestellten nennt. Unter dem eigentlichen Porträt befindet sich ein Schriftfeld mit acht Zeilen in zwei, auf den ersten Blick kaum auszumachenden Spalten. Darunter folgen die Signaturen des entwerfenden Malers und des Stechers. Die einzelnen Elemente werden durch eine rahmende Knorpelwerk-Ornamentik zusammengefasst. Die dichten, ebenmäßigen Zeilen erscheinen in den dichten Linien der Schattierungen selbst fast ornamental und entsprechen in ihrer Fülle der üppigen Dekoration des Blattes. Die Rahmung bildet in den oberen Ecken nach außen blickende, geflügelte Köpfe aus. Um das untere Schriftfeld bildet sie einen Rahmen aus, der an Rollwerk erinnert. Der darüber hinaus noch sichtbare Hintergrund des gerade begrenzten, rechteckigen Bildfeldes ist dunkel schraffiert.
Die Benennung des Dargestellten in der Umschrift als „Kugelman“ hilft zunächst wenig dabei, die Gegenstände auf dem Tisch und damit Fabers Tätigkeit zu identifizieren. Hier kann das unten beigefügte Gedicht helfen (siehe unter Beischrift).
Wir haben es beim „Kugelman“ also mit einem reisenden Wunderarzt zu tun, der seine Mittel sogar mit kaiserlichem Privileg verkaufen darf. Mit diesem Wissen erschließt sich auch das Treiben auf dem Augsburger Rathausplatz im Hintergrund. Dort ist eine Menschenmenge um einen Reiter zusammengelaufen. Bei diesem wird es sich wohl um Georg Faber handeln. Rechts davon ist ein Tisch mit den zu verkaufenden Präparaten aufgebaut. Wenn diese Deutung zutrifft, wäre das oben zur Hälfte zitierte Gedicht die Werberede an das zusammengelaufene Volk. Und was der weitgereiste Faber zu verkaufen hat, erscheint ja auch tatsächlich wunderbar. Von Hautkrankheiten über Läuse bis zu lästigen Ölflecken in der Kleidung vermögen die Kugeln Abhilfe zu schaffen.
Das Erscheinen des mit 73 Jahren hochbetagten Faber von Rottenman im Jahre 1648 scheint in Augsburg einiges Aufsehen erregt zu haben, denn Jonas Umbach fertigt ein Portrait des Wunderarztes an. Der Maler ist zu seiner Zeit in Augsburg ein bedeutender Mann. Er bekleidet das Amt eines bischöflichen Kammermalers, ist Zeichner und Ätzer und sitzt zudem im großen Rat der freien Reichsstadt. Umbach lieferte mehrfach Vorlagen zu Kupferstichen, die er dann von verschiedenen Stechern ausführen ließ. Die unmittelbare Vorlage für dieses Blatt ist unbekannt.
Der auf dem Blatt genannte Bernard Straus könnte mit einem zur gleichen Zeit in Augsburg tätigen Elfenbeinschnitzer, Goldschmied und Graveur identisch sein. Dieser ist 1651 durch eine Signatur an einem silbergefassten Elfenbeinhumpen nachweisbar: „BERNHARD STRAUS GOLDSCHMIED FEC.“.
Marcus Pilz
Literatur:
- Schmidt, Wilhelm: Umbach, Jonas, in: Allgemeine Deutsche Biographie, Bd. 39 (1895), S. 272- 273
- Seling, Helmut: Die Kunst der Augsburger Goldschmiede 1529-1868. München 1980, Bd.1, S. 281
Standort/Bildrecht: Institut für Kunstgeschichte der LMU, München