Institut für Kunstgeschichte
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Zur Sammeltätigkeit von Doris Schmidt

Text: Sophia Holbein
Recherche: Sophia Holbein, Isabel Groll, Petra Aleweld und Lea Theres Zug

Die Sammlung von Doris Schmidt kann nicht als Kunstsammlung im klassischen Sinne verstanden werden. Auch hat sie sich selbst wohl nicht als Sammlerin betrachtet und ebenso wenig als eine solche agiert. Vielmehr ist der Nachlass von Doris Schmidt als Ergebnis ihres Lebenswerkes zu verstehen. Die Werke, die die Kunsthistorikerin im Zuge von fast 50 Jahren journalistischer Arbeit in ihrer Wohnung versammelte, zeugen von einer intensiven Auseinandersetzung mit dem Gegenstand ihrer journalistischen Arbeit – der Kunst. Dass Doris Schmidt sich mit diesen Werken privat unmittelbar umgab, zeigt den Grad, mit dem Leben und Wirken bei ihr verbunden sind.

Ihr Nachlass lässt sich grob in zwei Kategorien einteilen. Zu betrachten ist dabei zunächst der Nachlass in Gestalt von Kunst, zumeist grafischer Arbeiten, und zum anderen der Nachlass in Form einer Büchersammlung. Diese umfassende Bibliothek wurde nach dem Tod Schmidts im Jahr 2008 an das Zentralinstitut für Kunstgeschichte geschenkt (Zentralinstitut für Kunstgeschichte o. J.), wobei jedoch die meisten Bände als Dubletten ausgesondert wurden. Inhaltlich umfasste die Bibliothek vor allem Kataloge von Künstler:innen und Ausstellungen, über die Schmidt geschrieben hatte, sowie Publikationen, an denen sie mitgearbeitet hat: als Übersetzerin, Herausgeberin oder Autorin.

Die Recherchen zum zweiten Teil des Nachlasses ergaben, dass es sich bei den Kunstwerken aus dem Nachlass von Doris Schmidt hauptsächlich um (druck-)grafische Arbeiten handelte, die keinem bestimmten Genre oder einer Strömung zuzuordnen sind. Erkennbare Strategien, mit denen die Werke angeeignet wurden, waren ebenfalls nicht zu ermitteln. Insofern kann aufgrund dieser fehlenden thematischen Geschlossenheit und auch infolge des Umfangs der Werke mehr von einer über die Jahre angewachsenen Ansammlung als einer profilierten Kunstsammlung gesprochen werden.

In Bezug auf Quantität und Qualität dieser Kunstsammlung sind heute weder deren voller Umfang, noch deren genaue Zusammensetzung oder die Provenienz der Blätter exakt rekonstruierbar. Einem kleinen Anteil von Werken, die Schmidt selbst gekauft hat, steht wohl ein größerer Umfang an Arbeiten gegenüber, die ihr von Künstler:innen und Galerist:innen geschenkt wurden. Hinzu kommt, dass die Kritikerin wohl bereits zu Lebzeiten einzelne Werke aus ihrem Besitz verkauft hatte. Diese waren im Rahmen des Forschungsprojekts nicht ermittelbar. Die Recherchen konnten jedoch die Distributionswege aufzeigen, auf denen weitere Teile der Kunstsammlung nach dem Tod von Doris Schmidt in den Kunstmarkt diffundierten. So veräußerten die Rechtsnachfolger:innen Schmidts einen Teil der Bildersammlung an den Münchener Kunsthändler und Galeristen Florian Sundheimer. Dieser widmete die Eröffnungsausstellung seiner damals neu bezogenen Räumlichkeiten den Werken aus dem Besitz der verstorbenen Kritikerin und stellte diese in Kombination mit Zeitungsartikeln und anderen Zeugnissen ihres Wirkens aus. In der Folge ging ein großer Teil des Bestandes der Sammlung Doris Schmidt auf private Eigentümer über.

Wie ausgeführt, ist eine vollumfängliche Darstellung der Werke aus dem Eigentum Schmidts nicht möglich, jedoch kann anhand exemplarischer Beispiele im Folgenden zumindest ein kursorischer Überblick über die weitere Distribution der Sammlung gegeben und gleichzeitig die Relevanz ihres Netzwerkes für die Bildung der Sammlung verdeutlicht werden.
Auf der Grundlage von (meist online) publizierten Auktionsdaten können viele Arbeiten mit einer „Provenienz Schmidt“ auch heute noch leicht identifiziert werden:

So wurden im April 2009 verschiedene Objekte aus dem Nachlass Doris Schmidts im Auktionshaus Nusser versteigert (SZ, 11.4.2009, S. 19). Darunter waren Blätter von Eduardo Chillida, Arnulf Rainer, Georg Baselitz und Willi Baumeister. Bei Karl & Faber kamen aus ihrem Nachlass Heino Naujoks „Barockparaphrase“ (Auktion 257, Los 1200) und die Arbeit „Clown“ des CoBrA-Künstlers Lucebert (Auktion 241, Los 1345) zum Aufruf. Bassenge auktionierte 2020 „5 Minis“ von Hanna Höch, ebenfalls aus Doris Schmidts Nachlass (Auktion 115, Los 8290). Bei Grisebach wurde zunächst im Mai 2011 eine Zeichnung von Max Beckmann (Auktion 184, Los 47), sowie zwei Werke auf Papier von Ernst Wilhelm Nay (Auktion 186, Los 1097 und Los 1098) versteigert. Die Beckmann-Zeichnung kam 2018 beim gleichen Versteigerer erneut zum Aufruf.

Insbesondere zu Nay und Beckmann hatte Doris Schmidt vielfach publiziert, womit sich Verbindungen zwischen dem Wirken der Kunsthistorikerin und ihrer Grafiksammlung herstellen lassen. Die Arbeiten aus dem Bestand von Doris Schmidt weisen zudem oft eine persönliche Verbindung zu verschiedenen Künstler:innen auf: So tragen einige der Werke persönliche Widmungen an Dr. Doris Schmidt, wie beispielsweise ein Aquarell von Raimund Girke, das 2022 bei Jeschke Jádi in Berlin versteigert wurde (Invaluable 2023). Auch das Auktionshaus Kloss in Berlin versteigerte Blätter mit persönlicher Widmung an die Kritikerin. Hier ist exemplarisch eine Version des Farbholzschnittes „Geburt der Pferde“ von Franz Marc zu nennen (Kloss 2022a), die der Nachlass Franz Marc der Galerie Stangl an die Kritikerin mit Widmung übereignet hat. Ebenfalls wurden bei Kloss Neujahrs- und Grußkarten aufgerufen, die Künstler der Erker-Galerie, wie Antoni Tàpies (Kloss 2022c), Günther Uecker (Kloss 2022b) oder Asger Jorn (Kloss 2023a) gestaltet hatten.

Auch Asger Jorn versah eine Lithografie von 1971 mit einer persönlichen Widmung an Doris Schmidt. Diese diente später als Einladungskarte der genannten Ausstellung bei Sundheimer (Sundheimer 2009). Den Mitbegründer der CoBrA-Gruppe hatte Doris Schmidt über Franz Larese in der Erker-Galerie kennengelernt (Archiv van de Loo 2014). Mit dem Galeristen Otto van de Loo, dessen Galerie später das Werkverzeichnis der Druckgrafiken Asger Jorns publizierte, arbeitete Schmidt über viele Jahre hinweg kollegial zusammen und das Verhältnis zwischen der Kritikerin und dem Münchner Galeristen war von gegenseitiger, hoher Wertschätzung geprägt (SZ, 18.12.1987). Im Archiv van de Loo hat sich ein Brief von Doris Schmidt an Otto Van de Loo erhalten, in dem sich die Kritikerin für die Übersendung eines Blattes des Künstlers Heimrad Prem der Gruppe SPUR bedankt. Obwohl sich der Verbleib der Prem-Arbeit im Rahmen des Projekts nicht mehr ermitteln ließ, verdeutlicht die vorangegangene Darstellung, dass die Sammlung Doris Schmidts als eine physische Extension der Kontakte, die sie sich durch ihre Tätigkeit als Kunstkritikerin, Herausgeberin, Autorin und Kommissions- sowie Jury-Mitglied geschaffen hatte, verstanden werden kann.